KAP09  SONSTIGES

ROGER GUITARREN AUS FERTIGUNGSTECHNISCHER SICHT – GERMAN-CARVE MODELLE

Für einen Menschen wie mich, der sich, aufgrund seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit, zeitlebens mit der Rationalisierung von Organisations- und Fertigungsprozessen beschäftigt hat, war es interessant, das Fertigungsmanagement von ROGER zu studieren und auszuwerten. Was dabei herauskam hat mich positiv überrascht.

Die nachfolgende Auflistung und Erläuterung der einzelnen Rationalisierungsmaßnahmen sollen den hohen Stellenwert des Kostenmanagements im Hause ROGER dokumentieren:

Rationalisierung bei der Herstellung von Decken und Böden – German Carve

  • geringere Brettstärke und Verwendung von parallelen Brettern
  • plane Decke: Einsparung an Bearbeitungszeit, keine Steganpassung notwendig
  • Hohlkehle gefräst: Es mussten nur die Ränder nachgearbeitet werden
  • Plane, gefräste Decken-Innenkontur: Keine Nacharbeit erforderlich

Rationalisierungsmaßnahmen den Korpus betreffend

  • Es gibt nur eine Korpusform- und Größe für die meistverkauften Modelle
  • Schalllöcher nicht nachgearbeitet
  • Symmetrische F- Löcher erfordern nur eine Schablone
  • Schalllöcher nicht eingefasst, mit Ausnahme des Modells SUPER
  • Sparsames Binding beim meistverkauften Modell JUNIOR

Rationalisierungsmaßnahmen den Hals betreffend

  • Durch die konische Mittelholzplatte im Rohblock entfällt die Bearbeitung der Halsbreite
  • Hals- und Halsfußprofil mittels Profilwerkzeugen fertig gefräst
  • Das Halsfußende wird durch angeleimte Restholzstücke auf Maß gebracht
  • schichtverleimtes, geschliffenes u. lackiertes Holz erübrigt eine zusätzliche Kopfplatte
  • Keine Ziereinlagen in der Kopfplatte
  • Halslackierung nur in naturell für alle Modelle und Farboptionen
  • Kein Perlmutt für das Logo und dessen Einlage; Logo als Abzugsbild ab ca.1957
  • Keine Verwendung von teurem Ebenholz für das Griffbrett und den Steg bis ca.1959
  • Keine Perlmutteinlagen im Griffbrett bis Ende der 50er Jahre
  • Kein Binding an Hals und Kopfplatte beim Modell JUNIOR
  • Verzicht auf eingelegte Metallschiene und Trussrod bis Ende der 50er Jahre
  • Verwendung von preiswerten aber qualitativ guten, offenen Einzelmechaniken
  • Bevorzugte Verwendung der Mechaniken mit LOGO für alle Modelle bis Ende der 50er Jahre

Sonstige kostensparende Maßnahmen

  • Es gab keine Sonderanfertigungen wie dies bei vielen anderen Herstellern üblich war.
  • Auch bei der Lackierung wurde gespart.  Es gab nur rotbraun schattiert und naturell
  • Konsequente Verwertung von Werkstoffen und Teilen; nichts wurde weggeworfen.
    • Beispiel Label: Alle vorhandenen Label wurden aufgebraucht. So gab es beispielsweise keinen Zettel von der Berliner Werkstatt in der Lützowstraße. Die Instrumente aus der dortigen Produktion wurden alle mit dem Label aus der Lutherstraße gemarkt. Ähnliches passierte auch nach dem Umzug von Mittenwald nach Neumarkt St. Veit.
  • Auch bei den Katalogen wurde konsequent gespart.

All diesen Bemühungen liegt ein hohes Maß an Kreativität und Erfindergeist zugrunde.

Wenzel Rossmeisl war es gelungen seinen wichtigsten Leitsatz auf seine Firma zu übertragen:

GRÖSSTMÖGLICHER  NUTZEN  BEI GERINGSTMÖGLICHEM  AUFWAND

Bemerkenswert ist, dass alle Maßnahmen zur Minimierung der Kosten weder die Funktionalität noch das Erscheinungsbild negativ beeinflussen.  Vielmehr verleiht der Verzicht auf jeglichen Schnickschnack dem Äußeren eine zeitlose Eleganz und ist Teil des Erfolgs von ROGER. Mir ist kein Unternehmen in dieser Branche aufgefallen, das einen ähnlich hohen Rationalisierungsgrad in seinen Fertigungsprozessen vorweisen kann wie dies bei ROGER der Fall war. 

WIE KLINGT EINE ROGER?

Aufgrund der speziellen Herstellungsweise von Decke und Boden ist die ROGER eng verwandt mit einer FLATTOP.   Kein Wunder also, dass diese Verwandtschaft auch im Klangverhalten zum Ausdruck kommt. Der völlig eigenständige Klang der ROGER kann mit folgenden Attributen beschrieben werden:

LAUT – PERKUSSIV – ROSSIG

Mit sehr guter Ansprache, gutem Durchsetzungsvermögen und einem schnellen Attack.  Die Bässe und das Sustain sind in der Regel nicht übermäßig ausgebildet, dafür sind aber die Mitten sehr stark. Elektrisch gespielt gibt es, der dicken Decken wegen, weniger Probleme mit dem Feedback. Zum elektrischen Sound möchte ich kein Urteil abgeben, zumal die standardmäßigen Hals-Pickups von Fuma nicht gerade zur Premiumklasse der Tonabnehmer zählen.  Für mich steht das akustische Spiel im Vordergrund weil es den eigenständigen Klang des Instruments am besten zu vermitteln vermag.  Wegen dieser Eigenschaften ist die ROGER sehr beliebt bei den Anhängern des Gypsy Jazz, aber auch in anderen Stilrichtungen macht sie eine gute Figur.

Die Beschreibung der klanglichen Eigenschaften von German-Carve Modellen trifft aber nicht für alle Instrumente in gleichem Maße zu. Es hat sich gezeigt, dass Unterschiede in der Endbearbeitung von Decken und Böden, aber auch die Maße (Dicke) derselben das Klangbild verändern. Gitarren mit leichter Deckenwölbung, infolge größerer Übergänge der Hohlkehle zur Deckenmitte hin, klingen jazziger und weicher. Das trifft vorwiegend für Instrumente und Komponenten zu, die von gelernten Geigenbauern wie Olga Adelmann und Adi Feil fertiggestellt wurden.  

Wichtiger Hinweis:  
Um das Leistungsvermögen einer ROGER voll ausschöpfen zu können braucht es starke Saiten.  Unter .013 sollte keine ROGER bestückt sein.  Keine Angst, der Hals hält das aus wenn die Verleimung des Griffbretts in Ordnung ist.
Meine bevorzugten Saiten sind Roundwounds .013

DANKSAGUNG

Es ist mir ein großes Anliegen, mich bei den Personen ausdrücklich zu bedanken, die mich bei meinen Recherchen über die Maßen unterstützt haben. Ohne deren wertvolles INFO-und DOKU-Material wäre ein derart detaillierter Bericht über das Leben und Wirken von Wenzel Rossmeisl nicht möglich gewesen.

Thomas Buhé

Ihm verdanke ich durch seine tiefe Verbundenheit mit den Rossmeisls und seinem reichen Erfahrungsschatz über das Thema Jazzgitarre, eine Unmenge an fachlichen, geschichtlichen und intimen Informationen,  darunter die gesamte Briefkorrespondenz mit Marianne Rossmeisl. Seine akribisch dokumentierten Erlebnisse, die er auch zum Teil in seinem Buch MEIN KALEIDOSKOP dem Leser zugänglich macht, waren für mich eine wahre Fundgrube.

Klaus Andrees

Das ist der ehemalige Student der Architektur, dessen Hand im ROGER-Katalog verewigt ist.  Er stellte mir bereitwilligst seine umfangreichen Informationen und Dokumente über seine Zeit bei ROGER zur Verfügung.

Adolf Feil

arbeitete von 1956 bis 1961 als Gitarrenbauer bei ROGER. Von 1966 bis 1969 leitete er das Münchner Ladengeschäft.  Sein profundes Wissen über den gesamten Fertigungsablauf, Art, Zeitpunkt und Umfang von Änderungen, wie auch seine Kenntnisse von betrieblichen und organisatorischen Gepflogenheiten, waren für meinen Artikel von unschätzbarem Wert.

Helmut Buchsteiner        

arbeitete von 1959 bis 1961 als gelernter Gitarrenbauer bei ROGER, zusammen mit Adolf Feil. 1968 übernahm er als Meister die Pacht für die Firma ROGER bis Ende des Jahres 1969. Von ihm stammen sehr viele Informationen über die Zeit in Neumarkt St.Veit. Detaillierte Angaben zu seiner Person und seinen Instrumenten gibt es unter der Rubrik Hersteller.

Dieter Hense und Wolfgang Übel

Sie waren ehemals Mitarbeiter in der Werkstatt von Wenzel Rossmeisl in Markneukirchen und haben mit ihren detaillierten Informationen über ihre ehemalige Arbeitsstätte Licht ins Dunkel gebracht.

Hans Joachim Naydowski

Ist ein Cousin von Roger Raimond Rossmeisl. Von ihm habe ich vieles über die Lebensweise und das private Umfeld der Rossmeisls erfahren.

Erwin Rossmeisl

Ist ein entfernter Verwandter von Wenzel Rossmeisl aus der holländischen Linie der Rossmeisls.  Ein Hobby von Erwin Rossmeisl ist die Ahnenforschung. Diesem glücklichen Umstand habe ich die ausführlichen Informationen über die Geschwister von Wenzel Rossmeisl zu verdanken. 

Dr. Elmar Kesenheimer

Das ist ein Jazzfan, der sich neben der Musik sehr für Instrumente, deren Herkunft, Bauweise und Klang interessiert. Einige seiner Anregungen, Recherchen und Infos sind in diesen Bericht eingeflossen. Als ich ihn fragte, ob er vielleicht Interesse hätte, den ROGER-BERICHT insEnglische zu übersetzen, hat er spontan zugesagt. Viele Gitarrenfreaks weltweit werden sich darüber  sehr freuen.

Peter Strasser, Dr. Martin Kemmler,  Kield Andersson

Gitarren Enthusiasten, denen neben den Instrumenten auch die Historie der deutschen Schlaggitarrensehr am Herzen liegt. Ihre Anregungen, Recherchen und Infos waren für mich sehr wertvoll.

Stefan Lob

Mein ganz besonderer Dank gilt Stefan Lob, der die Datenbanken des Museums Markneukirchen nach verwertbaren Informationen durchforscht hat und darüber hinaus durch die Beschaffung von Kontaktadressen, Infos, Bildmaterial und Seriennummern einen großen Beitrag geleistet hat. Er hat keine Mühe gescheut diesen umfangreichen Artikel, inklusive Update, ins Netz zu stellen.

Claudia und Günther Dress

Der Kontakt mit beiden, initiiert durch den ROGER-Artikel, war für mich ein einzigartiger Glücksfall. Claudia und Günther haben viele Jahre in München, in der Hohenzollernstraße 58, Tür an Tür mit den Rossmeisls gewohnt. Mit den Jahren entwickelte sich ein enges, familiäres Verhältnis zu Wenzel und Marianne, die das junge Paar mit ihren Kindern ins Herz geschlossen hatten. Nach dem Tode von Marianne Rossmeisl gingen deren gesamte persönliche Erinnerungsstücke in den Besitz von Claudia und Günther Dress über, die mir bereitwillig dieses umfangreiche Material für die ROGER-Biographie anboten. Annähernd 400 Bilder und Dokumente, von denen der größte Teil nun in der Bildergalerie zu sehen ist, geben nun tiefe Einblicke in das bewegte Leben von Wenzel Rossmeisl.

Liebe Claudia, vielen, vielen Dank für die Erstellung der unzähligen Bilder- und Dokumenten- Scanns, ebenso wie für die wertvollen Hintergrundinformationen.

Kaspar Glarner und Luc Quelin

Den Recherchen dieser beiden ist es zu verdanken, dass das Mysteriums bezüglich der Ausbildung von Roger Rossmeisl aufgeklärt werden konnte.

Mein Dank gilt auch allen Freunden und Bekannten, Sammlern und Gitarren-Verrückten, die durch Anregungen, Infos und Daten einen Beitrag zu diesem Artikel geleistet haben.

Copyright:

Die Bilder im Artikel  dürfen nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors veröffentlicht werden.

Herbert Rittinger,  im Februar 2022

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